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Es war für mich eine seltsame Freude in Moskau an einem Abstellgleis; es kann auch ein Verladegleis gewesen sein. Frauen, und wie mir schien auch gut gekleidete Frauen, kamen an den Zug und tauschten Seife gegen Zucker. Ich habe auf dem Kopfsteinpflaster gestanden und habe gedacht: „Ach, wenn doch diese Steine Brot wären.“ Auf dieser Fahrt bekamen wir keine Verpflegung.
Es gab einen regen Truppenverkehr. Wir konnten mit ansehen, wie Trotzki eine Ansprache an die roten Truppen hielt, die in die Aufstandsgebiete zur Verstärkung geschickt wurden.
Später kam noch ein Ärzteteam. Alle mussten zur Untersuchung vor ihren Wagen treten. Dann wurde nachgesehen, ob sich auch keiner gedrückt hatte. Jeder hatte Angst in die Isolierungslager zu kommen. Die Kranken wurden in die Lager gebracht, und es gab üble Szenen, denn der Hunger war an vielen nicht spurlos vorübergegangen. Es wurde uns gesagt, wir müssten wenigstens transportfähig sein, was jeder einsah.
Wieder gegen Abend fuhren wir in Richtung Westen. Aber es war ein trauriger Zug, quälender Hunger fuhr mit.

Nach langen, langen Stunden fuhren wir in Smolensk ein. Der Zug fuhr sehr langsam, und am Waldesrand, ungefähr 150m weit, waren Verkaufsbuden zu sehen. Ich ahnte, was kommen würde. In dem Augenblick hielt der Zug. Alle stürmten die Buden. Ich bin im Wagen geblieben und habe mir das Schauspiel angesehen. Ich sah wie die Leute schon vorher ihre Waren im Stich ließen. Der Aufprall war so stark, dass alles umkippte, und die Waren meist zertrampelt wurden. Nachher konnte man noch Preiselbeeren kaufen. Das war alles. Aber ich hatte den Eindruck, wenn das hier bei uns passiert wäre, so leicht wären wir nicht davon gekommen.
Wieder gegen Abend pendelte der Zug bis Orscha. Nach einigen Ausweichstellen kamen wir am 31. Juli morgens früh hier an. Wir wurden über nichts unterrichtet. Erst gegen Mittag 13.00 Uhr wurden wir gewahr, dass wir sehr bald die Grenze überfahren werden.
Langsam, mit 5 km, sah ich, wie wir zuerst die russische und dann auch die deutschen Linien überfuhren. Wir wurden mit Musik empfangen, aber alle schreien aus heiseren Kehlen: „Hunger, Hunger!“. Sofort verstummte alles. Jeder bekam ein Kochgeschirr zum Essenempfang. Ich habe noch zweimal nachgeholt.
Es folgten 10 Tage Quarantäne, und wir waren nicht satt zu kriegen. Wir beschlossen einen fetten Köter zu suchen. Es liefen ja genug herum. Ich muss sagen, es schmeckt gar nicht so schlecht.
Von dort fuhren wir dann nach Warschau, wurden neu eingekleidet und fuhren für 8 Wochen in Urlaub.

Am 18.8. einem Sonntag kam ich nach Hause.

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