Bald wurde das Eis immer dicker und ich bekam ein neues Pferd, um das Holz von der Bahn abzufahren. Der Stallknecht, ein Wolgadeutscher, sprach plattdeutsch genau wie ich. Das hatten sie noch nicht verlernt. “Hier hast du das beste Pferd, das ich zu vergeben habe. Bloß, nimm dich in Acht, der schlägt vorn und hinten, beißt, und wenn du nicht aufpasst, fängt er dir die Leine unterm Schwanz. Dann geht er durch.“ Und kitzelich war er auch noch. Ich dachte, dass kann ja heiter werden. Alle schlechten Eigenschaften, die ein Pferd haben kann. Es war ein Wallach.
Erst wurde das Pferd geknebelt. Dann kam das Hintergeschirr. Beim Schweifanfassen machte er sich lang und schlug alles was er erreichen konnte kurz und klein das die Fetzen flogen. Endlich war er vor den Korbschlitten gespannt. „Och“, sagte er auf platt, „dat Ächtergeschier is to lang, ik moke die dat noher ferig, wenne wir kummst. Füre man hen datte he anner mir for ist.“
Es ging ja gleich das sehr hohe Kama-Ufer herunter bis zur Bahn, ungefähr 7 – 8 km. Zuerst lief er im Trapp. Aber bergab lief ihm der Schlitten auf die Hacken. Er war wie elektrisiert und im schnellen Galopp ging es durch Schnee und Eis. Er wirbelte mir den Schnee ins Gesicht, dass ich kaum was sehen konnte. Die Leine hielt ich immer breit mit dem Schweif im vollen Galopp. Er schnappte danach: ein Leinenfänger. Als ich ankam hatten die anderen ihre Schlitten schon voll. An jeder Seite stand einer und musste ihn halten. Die Leine hatte ich so hingelegt, dass ich gleich zugreifen konnte. Der Schlitten war halb beladen, da hat er sich befreit. Ich griff schnell die Leine und im Galopp ging’s in die Stadt, bis an die Kaserne. Auf dem freien Platz waren Soldaten und übten. Sie staunten über das Gefährt. Ich zog die linke Zügel und was Wunder, er gehorchte. Fast verschwunden im Schnee kamen wir wieder auf die Straße. Da wollte sich mein Freund ausruhen, aber das konnten wir uns aus Zeitmangel nicht leisten: Die linke Leine hoch und mit der Rechten ein bisschen getippt. Nachher haben wir mehr aufgeladen als die anderen. Und bergauf machte er schlapp. Er hatte die Hufe voller Schnee und ganz hart. Es gab kein Erbarmen. Er rutschte aus, er sprang hoch. So ging das eine ganze Zeit. Er fing an zu schwitzen. Jetzt ist es genug, dachte ich. Erst habe ich das linke Vorderbein einfach hochgehoben und mit dem Kamm sauber gemacht. Dann schnell das Rechte. Dann mit eisernem Griff die beiden Hinterbeine. Wir waren die letzten die an Ort und Stelle kamen. Schnell abgeladen und die Leine fest gemacht. Es war hoch Mittag.
Ich hatte nachher das beste Pferd. Des Morgens, wenn ich in den Stall kam, spitzte er die Ohren. Ich regte ihn nicht auf. Ganz vorsichtig legte ich ihm das Geschirr an. Es hat mir Leid getan, dass ich ihm kein Stück Zucker oder Brot geben konnte. Ich hatte ja selber nicht genug.
» Thypus