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Zweites Buch:

Sibirien

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Am 29. März 1915 kamen wir in Kurgan in Sibirien an. Das Thermometer stand zum ersten Mal auf 0° Celsius, aber nur für ein paar Stunden am Tag. Unterwegs hatten wir uns mit Schnee gewaschen. Man kann sich ausmalen, wie wir ausgesehen haben. Es wurde gesagt, wir kämen in ein Lager. Bis dahin waren wir in ausgeräumten Holzhäusern ohne Heizung untergebracht.

Im Juni zogen wir in die neuen Baracken. Es lebten hier ungefähr 2000 Menschen. Alle Nationen waren vertreten: Deutsche, Österreicher, Tschechen, Ungarn, Slowenen, Bosnicken, und Türken. Alle kamen mit Läusen von der Front. Dann saß hier einer, der sich die Läuse oder Flöhe absucht, oder dort einer. Einen deutschen Oberlehrer haben diese Viecher direkt aufgefressen. Er zog sich nie das Hemd aus und so wurden es immer mehr. Bis er eines Tages krank wurde und starb. Sie hätten ihn sehen sollen. Er hat mir so leit getan. Auch hier ist die Überlebenschance die Selbsthilfe. Sehr gewundert habe ich mich über die vielen Kakerlaken. Es sind kleine Käfer bis 2cm lang. Sie sind weiß, rot, aber in der Mehrzahl schwarz.

Neben dem Lager war eine Konservenfabrik. In der Küche wurden Rindsköpfe für uns gekocht. Es gab Kohlsuppe und Kascha mit ausgelassenem Schweinespeck. Kascha ist ein dicker Hirsebrei. Die meisten ließen ihn stehen. Ich habe meinen Teil immer gegessen. Das Wasser wurde aus dem Fabrikbrunnen geholt. Der hatte einen Durchmesser von 2 m, war aber im Juni an der Oberkante noch so weit zugefroren, dass gerade der große Holzeimer heruntergelassen werden konnte.

150 Mann wurden abwechselnd in die Stadt geholt und mussten den Unrat auf dem Marktplatz beseitigen, der sich den ganzen Winter über dort angesammelt hatte. Jeder, der mit Ware zum Markt fährt, bringt etwas Stroh mit. Die Pferde lassen auch was fallen. Das taute nun auf. Wenn die Sonne so schön warm schien, wurde immer eine Schicht abgeräumt. Das letzte war ca. 50 - 60 cm dick, eine richtige Eisdecke. Der Platz war ungefähr 5000 – 6000 qm groß.

Mit der Zeit wurde es immer wärmer. Eine Fußballmannschaft wurde zusammengestellt, und eine Musikkapelle. Die Instrumente wurden gebastelt. Wir konnten manchmal in die Stadt, wenn Markt war, natürlich mit einem Posten. Hier konnte man billig einkaufen: 1 Ei eine Kopeken, Butter 15 Kopeken, Fleisch auch 15 Kopeken. Aber diese noch angenehme Zeit sollte nicht lange dauern.

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